Papilio steigert prosoziales Verhalten und reduziert Verhaltensauffälligkeiten

Erste Teilergebnisse aus der Papilio-Studie mit über 600 Kindergartenkindern

Augsburg. Papilio ist ein Programm zur Vorbeugung gegen die Entwicklung von Sucht- und Gewaltverhalten. Es wurde speziell für Kindergärten entwickelt und in einem Modellprojekt im Raum Augsburg eingeführt und wissenschaftlich untersucht. Die Detailauswertungen laufen noch, aber erste Teilergebnisse zeigen: Papilio steigert das prosoziale Verhalten deutlich und verringert Verhaltensauffälligkeiten.

Wo liegen die Ursachen von Sucht und Gewalt? Verschiedene Studien haben Faktoren herausgefunden, die die Entwicklung von Sucht- und Gewaltverhalten begünstigen oder verhindern. Ein zentraler Risikofaktor sind Verhaltensstörungen, die sich etwa im Alter von acht Jahren verfestigen. Vorher entwickelt sich das Verhalten, das heißt: Das Kind lernt zum Beispiel prosoziales Verhalten und die Fähigkeit, mit eigenen und den Gefühlen anderer angemessen umzugehen. Was allerdings im Alter von drei bis sieben Jahren versäumt oder falsch gelernt wurde, ist später nur schwer nachzuholen oder zu korrigieren. Vorbeugung gegen die Entwicklung von Sucht- und Gewaltverhalten muss also rechtzeitig einsetzen, idealer Ort ist damit der Kindergarten. Es ist erforderlich, die sozial-emotionale Kompetenz zu fördern, Risikofaktoren für Verhaltensstörungen zu mildern und Schutzfaktoren zu fördern. Das Programm Papilio erfüllt genau diese Forderungen.

Papilio ist eine Neuentwicklung nach einer ersten Idee des Rotary Projekts „Aktion Leben ohne Sucht und Gewalt“. 1998 brachte der Rotary Club Rosenheim die Aktion in Kindergärten auf den Weg und kooperierte dabei mit Fachleuten vor Ort, mehrere bayerische Rotary-Clubs folgten.

Wissenschaftliche Studie gefordert

Schnell wuchs das überregionale Interesse am Projekt – und damit auch die Forderung nach einem wissenschaftlichen Nachweis, dass die Vorbeugungsmaßnahmen tatsächlich sinnvoll sind. Diese wissenschaftliche Überprüfung übernahm das beta Institut für sozialmedizinische Forschung und Entwicklung in Augsburg. Es startete 2002 ein entsprechendes Modellprojekt mit wissenschaftlicher Begleitstudie und kooperiert dabei mit Prof. Dr. Franz Petermann, Zentrum für Klinische Psychologie und Rehabilitation der Universität Bremen, Prof. Dr. Leonie Herwartz-Emden, Philosophische Fakultät I der Universität Augsburg, und Prof. Dr. Herbert Scheithauer, Pädagogische Psychologie und Entwicklungspsychologie an der Freien Universität Berlin.

Die Wissenschaftler stellten allerdings schnell fest, dass die Rosenheimer Maßnahmen für eine wissenschaftlich Überprüfung ungeeignet waren und entwickelten das Programm Papilio neu, auf der Basis aktueller pädagogischer und entwicklungspsychologischer Erkenntnisse.

Schmetterling als Symbol

„Papilio“ ist das lateinische Wort für Schmetterling. Bei aller wissenschaftlichen Seriosität signalisieren die Papilio-Entwickler mit diesem Symbol, dass die Kinder im Mittelpunkt stehen und dass es ihnen ein Anliegen ist, dass Kinder fröhlich und unbeschwert den Tag entdecken und neugierig all das lernen können, was zur Gestaltung eines positiven Lebensweges wichtig ist.

Um die Machbarkeit und die Wirksamkeit der Papilio-Maßnahmen nachzuweisen, wurde im Kindergartenjahr 2003/2004 das Papilio-Modellprojekt durchgeführt. 48 Kindergartengruppen mit rund 700 Kindern im Raum Augsburg nahmen teil. Damit ist Papilio eine der größten nationalen Kindergartenstudien. Die Hälfte der Gruppen führte die Papilio-Maßnahmen ein, die zweite Hälfte diente als Kontrollgruppe, um im Vergleich feststellen zu können, ob sich das Verhalten der Kinder verändert. Mittlerweile haben auch die Kontrollgruppen, ein Jahr zeitversetzt, Papilio eingeführt.

Die wissenschaftlichen Auswertungen laufen noch, immerhin müssen die Rückmeldungen von knapp 700 Kindern, deren Eltern und ErzieherInnen erfasst und statistisch ausgewertet werden. Bereits eindeutig bejaht werden kann die Frage, ob die Papilio-Maßnahmen im Kindergartenalltag dauerhaft machbar sind. Auch die Dokumentation, die im Zusammenhang mit der Studie verpflichtend war, wurde von den meisten Kindergärten beibehalten, weil sie so Entwicklungen besser verfolgen und sich bewusst machen können.

Mehr prosozial, weniger auffällig

Ausgewertet wurden bisher die Fragebögen der ErzieherInnen vom ersten und zweiten Messzeitpunkt, das heißt: vor Einführung und etwa vier Monate nach Einführung der Papilio-Maßnahmen. Bereits zu diesem frühen Zeitpunkt registriert die Studie eindeutige Unterschiede zwischen der Papilio-Gruppe und der Kontrollgruppe. Die Kinder aller Gruppen steigerten ihr soziales Verhalten, aber bei der Papilio-Gruppe war diese Steigerung deutlich höher. Ähnlich bei den Verhaltensauffälligkeiten: Sie reduzierten sich bei allen Studienkindern, aber bei den Papilio-Kindern viel deutlicher. Zu den Verhaltensauffälligkeiten zählen zum Beispiel aggressives und oppositionelles Verhalten sowie Hyperaktivitäts- und Aufmerksamkeitsprobleme.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass verhaltensauffällige Kinder zwar besonders vom Programm profitieren, dass sich Papilio aber nicht speziell an diese Zielgruppe, sondern an alle Kindergartenkinder wendet. Typische ErzieherInnen-Beobachtungen zu Papilio sind, dass zurückgezogene Kinder besser in die Gruppe integriert werden, dass aggressive Kinder neue Wege finden, mit ihrer Wut und/oder Angst umzugehen und dass die Eltern überdurchschnittlich interessiert und aufgeschlossen die Elternabende zu Papilio wahrnehmen.

Gefördert und ermöglicht wurde die Entwicklung und wissenschaftliche Untersuchung von Papilio von der betapharm Arzneimittel GmbH, der BMW Group und der Gesundheitsinitiative bayern aktiv (Bayerisches Gesundheitsministerium). Das beta Institut hat die Projekt- und Studienleitung inne. Es entwickelte auch alle notwendigen Fortbildungen und setzt sich jetzt für die Verbreitung von Papilio in ganz Deutschland ein.

Gesellschaft im Wandel

Papilio ist auch die pädagogische Antwort auf gewandelte gesellschaftliche Verhältnisse. Die Erziehung wird heute zunehmend erschwert: Kinder erleben in ihrem Alltag immer mehr Gewalt, das Einstiegsalter für Nikotin, Alkohol und illegale Drogen, wie Haschisch und Marihuana wird immer niedriger. Das Verlangen nach einer möglichst raschen Bedürfnisbefriedigung wird bei Kindern durch ein nie gekanntes Ausmaß an professioneller Werbung noch verstärkt. Die Stärkung der Persönlichkeit und damit der psychosozialen Gesundheit unserer Kinder ist eine Herausforderung für alle Verantwortlichen. Papilio gibt den ErzieherInnen in den Kindergärten ein umfassendes pädagogisches Programm an die Hand, um den Kindern eine gesunde sozial-emotionale Entwicklung auch im veränderten und schwierigeren Umfeld zu ermöglichen.

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