Mit Achtsamkeit Eltern erreichen
Kita-Fachkräfte informierten sich beim Fachsymposium in Augsburg zu Erziehungspartnerschaften mit Eltern. Nachbericht zum Symposium „Jeder Tag ist Elternabend!“ am 27./28.11.2014
Augsburg, 2. Dezember 2014. Zwei Tage lang setzten sich beim Fachsymposium „Jeder Tag ist Elternabend!“ in Augsburg Kita-Fachkräfte aus der ganzen Bundesrepublik mit dem Thema Erziehungspartnerschaft auseinander: Eltern gewinnen, Partnerschaften stärken, Kinder fördern. Worauf es in der Elternarbeit ankommt und wie Erziehungspartnerschaften belebt werden können, thematisierten Praktiker, Fachleute und Wissenschaftler. Ergänzend zu wissenschaftlichen Fachvorträgen gab es einen regen Austausch an den themenbezogenen Marktplatz-Ständen.
Die Teilnehmer des Fachsymposiums in Augsburg kamen aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Sachsen, NRW, Hessen, Sachsen-Anhalt sowie aus Baden-Württemberg und Bayern. Neben pädagogischen Fachkräften kamen auch Trägervertreter und Präventionsfachkräfte zu der Tagung. Veranstaltet wurde das Symposium vom Sozialunternehmen Papilio e.V.
Dr. Jürgen Wüst von der Karl-Kübel-Stiftung führte die Teilnehmer als Moderator durch die beiden Tage. Den Einstiegsimpuls gab Heidrun Mayer, die geschäftsführende erste Vorsitzende von Papilio. Sie sprach über Haltung und Achtsamkeit – zwei wichtige Grundlagen im erzieherischen Alltag, damit ein Miteinander gelingen kann. Sie appellierte an die Teilnehmer, insbesondere Eltern, die als schwierig erscheinen, mit Achtsamkeit und Wohlwollen zu begegnen. Dazu bedürfe es zunächst der Selbstreflexion, um die eigene Haltung zu überdenken. „Manchmal tut dies weh“, so Mayer, aber es sei eine wichtige Basis für einen offenen Dialog.
Offener, interaktiver Marktplatz
Bei den anschließenden Marktplatzgesprächen konnten sich die Teilnehmer an Ständen zu den Themen Elternkontakt, Recht, Gesundheit und Elternclub informieren und austauschen. Fachleute standen an den Marktplatzständen als Impulsgeber bereit und beantworteten die Fragen der Besucher.
Jörn Harms vom Systemischen Institut Augsburg Volkmar Abt stellte am Elternkontakt-Stand die zentrale Frage „Wie kann ich dazu beitragen, damit eine gute Kommunikation mit den Eltern entstehen kann?“ und erläuterte dazu die Kommunikationsmuster von Virginia Satir. „Ich war sehr angetan, wie viele Ideen aus der Runde kamen, um die Betrachtungsweise des Gegenübers besser wahrzunehmen“, lautete Harms‘ Resümee.
Am Stand zum Thema Recht erläuterte Ralf Otte, Fachanwalt für Familienrecht und Einrichtungsleiter vom Bunten Kreis Augsburg, einige rechtliche Grundlagen zur Personensorge und Aufsichtspflicht und beantwortete dann konkrete Fragen der Marktplatzbesucher, etwa „Wie gehe ich damit um, wenn angetrunkene Eltern ihr Kind abholen möchten?“ oder „Was darf ich über ein Kind erzählen, wenn Dritte dabeistehen, die nicht erziehungsberechtigt sind?“ Otte plädierte dafür, immer zu versuchen, rechtliche Fragen zunächst im Gespräch (mit Kollegen, Leitung, Helferkreisen) zu lösen anstatt gleich mit der Keule des Gesetzes zu kommen.
Sabine Barkowsky von der BARMER-GEK-Hauptverwaltung tauschte sich am Marktplatzstand zu Gesundheit mit den Teilnehmern über Möglichkeiten der Gesundheitsförderung im Setting Kita und Familie aus. Durch die Gespräche wurde deutlich, wie wichtig es ist, dass alle Beteiligten – pädagogische Fachkräfte, Kinder und Eltern – sich gemeinsam auf den Weg zur gesunden Kita machen. „Ein ganzheitlicher Gesundheitsansatz in der Kita kann gelingen, wenn Themen wie Bewegung, Ernährung, Stressbewältigung und sozial-emotionale Kompetenzen in den Blick genommen werden“, so Barkowsky.
Am Stand zum Elternclub informierte Charlotte Peter von Papilio über das aktuell abgeschlossene Modellprojekt zum Papilio-Elternclub. Unterstützung erhielt sie von Waltraud Brückl, Leiterin der Villa Kunterbunt in Gerolsbach, die in der Modellphase mitgewirkt hatte und über ihre Erfahrungen in der Umsetzung berichtete. „Es gab einen regen Austausch und viele Fragen zum Elternclub, vor allem nach finanziellen und zeitlichen Ressourcen“, resümierte Charlotte Peter.
Am offenen Treffpunkt beantwortete Heidrun Mayer Fragen aller Art: zu den nächsten Schritten von Papilio, aktuellen Themen wie U3, aber auch einen philosophischen Austausch zu Achtsamkeit und Verantwortung gab es an diesem Treffpunkt.
Elternarbeit aus dem Blick der Wissenschaftler
Am zweiten Tag standen wissenschaftliche Vorträge auf dem Programm, die die Zusammenarbeit mit Eltern aus verschiedenen Blickwinkeln betrachteten. Dr. Antje Richter-Kornweitz von der Landesvereinigung für Gesundheit & Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen erklärte in ihrem Vortrag „Achtung Baustelle: Zusammenarbeit mit Eltern in der gesunden Kita“ die setting-orientierte Gesundheitsförderung in der Kita, die sowohl Kinder als auch Fachkräfte beachten muss. Für die Zusammenarbeit mit Eltern sei es wichtig, implizites Wissen explizit zu machen. Eine wesentliche Anforderung sei jedoch Zeit, außerdem viele Kompetenzen. Dazu bedürfe es der Unterstützung durch Leitung, Träger und vonseiten der Politik.
Prof. Dr. Herbert Scheithauer von der Freien Universität Berlin zeigte den Zusammenhang von elterlichen Erziehungsstilen und sozial-emotionalen Kompetenzen von Kindern auf. Am Beispiel verschiedener Studien erklärte er, dass Erziehungsstile auch mit gesellschaftlichen Verhältnissen verbunden sind und in anderen Kulturen andere Stile bevorzugt werden. Ein induktiver Erziehungsstil, der dazu anregt, eine andere Perspektive zu übernehmen, fördere am meisten die Entwicklung von Mitgefühl und prosozialem Verhalten, was wiederum wichtig sei, damit Kinder sozial-emotionale Kompetenzen erlernen.
Wie man Eltern mit neuen Medien erreichen kann, erläuterte Dr. Jürgen Holtkamp vom Caritasverband für das Bistum Essen. Anhand der Sinus-Milieu-Studie zeigte er auf, wer die Eltern überhaupt sind und wie die Mediennutzung in diesen Milieus aussieht: „Fünf von zehn Milieus nutzen neue Medien täglich“, so Holtkamp. Die künftige Zielgruppe an Eltern, mit denen Fachkräfte zu tun haben werden, seien die sogenannten Digital Natives. Daher plädierte er für mehr Medienkompetenz für alle: „Wer mit Medien arbeiten möchte, braucht medienpädagogische und mediendidaktische Kompetenzen.“ Und warum nicht mal eine Whatsapp-Gruppe im Kindergarten starten? Vielleicht erreiche man damit auch die Väter besser.
Dr. Ina Bovenschen von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg ging der Frage nach, wie eine positive Zusammenarbeit mit Eltern gelingen kann und bezog dabei Ansatzpunkte aus der Bindungstheorie und der systemischen Beratung mit ein. Sie stellte fest, dass Erfahrungen mit eigenen Bindungspersonen beeinflussen, wie wir mit Kindern umgehen. Sie machte deutlich, wie Fachkräfte die Kommunikation mit Eltern verbessern können, indem sie ihnen ihr Verhalten wertschätzend rückmelden, sprich: kommentieren, wenn die Eltern etwas gut machen und die Eltern auch mal loben.
Zum Abschluss präsentierte Charlotte Peter von Papilio Ergebnisse und Erfahrungen aus der wissenschaftlichen Studie zum Modellprojekt Elternclub, das von 2012 bis 2014 in vier Regionen durchgeführt wurde: Alle Elternclub-Begleiterinnen und auch alle befragten Eltern würden den Elternclub weiterempfehlen. Peter kündigte an, dass es den Gesamtüberblick und die Auswertung aller Daten im Januar 2015 geben werde.
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Am Marktplatzstand Elternclub: Charlotte Peter von Papilio sammelte die Fragen der Teilnehmer. |
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Von links: Heidrun Mayer (Papilio e.V.), Dr. Jürgen Holtkamp (Caritasverband für das Bistum Essen), Dr. Ina Bovenschen (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), Dr. Jürgen Wüst (Karl-Kübel-Stiftung), Charlotte Peter (Papilio e.V.) und Dr. Antje Richter-Kornweitz von der Landesvereinigung für Gesundheit & Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen. |
Bildnachweis: Papilio e.V.