Auftakt Modellprojekt: Augsburger Puppenkiste tanzt in der Zeche Carl

Modellprojekt in NRW gestartet: Prävention in Brennpunkt-Kindergärten

Essen. In der Zeche Carl tanzen am 1. Juli Marionetten der Augsburger Puppenkiste – zur Freude vieler Kindergartenkinder, doch der Spaß ist mehr als ein Unterhaltungsprogramm. Die Kistenkobolde an den Fäden sind Figuren aus dem Präventionsprogramm Papilio und sollen Kinder davor schützen, später in Sucht und Gewalt abzugleiten. Auf Carl feiern Gesundheitsministerin und Schirmherrin Barbara Steffens und viele Kooperationspartner den Auftakt eines Modellprojekts, das sich speziell an Kinder aus Brennpunkt-Stadtteilen richtet.

Immer mehr Kinder wachsen unter schwierigen Bedingungen auf: Finanzielle Probleme, mangelnde Zuwendung, Sprachprobleme, Patchworkfamilien, Gewalt und Sucht in der Familie etc. Nehmen die Risiken überhand, starten diese Kinder mit erschwerten Bedingungen ins Leben und ihre "Karriere" läuft oft schon im Schulalter aus dem Ruder.

Papilio soll Kinder rechtzeitig vor der Risikospirale in Richtung Sucht und Gewalt im Jugendalter schützen. Das Präventionsprogramm setzt bereits im Kindergarten an, weil bekannt ist, dass die meisten Jugendlichen mit Problemen schon früh Auffälligkeiten zeigten. Papilio will es erst gar nicht soweit kommen lassen und fördert die Kinder frühzeitig, so dass sie später die Schule absolvieren und ein eigenverantwortliches Leben führen können. In NRW wird Papilio bereits seit 2006 von mittlerweile 1.300 ErzieherInnen umgesetzt, gefördert durch das Ministerium für Schule und Weiterbildung und die BARMER GEK.

Die Wirkung von Papilio ist durch eine große Studie mit 700 Kindern wissenschaftlich belegt. Die Studie zeigte auch, dass Kinder, die bereits auffällig waren, besonders vom Programm profitierten: Sie reduzierten die Verhaltensprobleme deutlich und entwickelten sozial-emotionale Kompetenzen. Diese Erkenntnisse sollen nun vertieft werden.

Besondere Maßnahmen für Brennpunkte?
Das neue Modellprojekt bezieht nur Kindergärten aus Brennpunkt-Stadtteilen ein, sogenannte "Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf". Papilio-Vorsitzende Heidrun Mayer erklärt in ihrer Kurzpräsentation in der Zeche Carl: "Wir untersuchen, wie Papilio in Kindergärten wirkt, die besonders viele auffällige Kinder betreuen. Und ob wir Teile von Papilio gegebenenfalls an den besonderen Bedarf der ErzieherInnen vor Ort anpassen müssen."

Das Modellprojekt startete Anfang 2011 in die Praxisphase. Insgesamt sollen 144 ErzieherInnen aus rund 20 Kindergärten in betroffenen Stadtteilen eine Papilio-Fortbildung absolvieren. Die ersten Kindergärten sind bereits dabei, Papilio-Bausteine einzuführen, darunter auch "Paula und die Kistenkobolde", die Geschichte, die in der Zeche Carl von der Augsburger Puppenkiste aufgeführt wird. Zornibold, Bibberbold, Heulibold und Freudibold verkörpern die Gefühle Zorn, Angst, Traurigkeit und Freude. "Mit Gefühlen umgehen zu lernen, ist ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem positivem Selbstwertgefühl. So wird ein Grundstein für die gesunde Entwicklung der Kinder gelegt und Sucht und Gewalt vorgebeugt", erklärt Andreas Meiwes, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW (LAG).

Das Modellprojekt soll bis September 2013 laufen und wird wissenschaftlich begleitet. Prof. Dr. Herbert Scheithauer von der Freien Universität Berlin leitet die Prozessevaluation, die Fachhochschule Dortmund bringt sich mit Studierenden ein, die damit sowohl Praxis als auch wissenschaftliches Arbeiten kennen lernen.

Große Kooperation für die Kleinen
Die Stiftung Wohlfahrtspflege NRW ermöglicht das Modellprojekt mit 1,2 Mio. Euro: "Wir fördern besonders Projekte, die benachteiligten Kindern positive Perspektiven eröffnen", erklärt Stiftungsvorstand Petra Grobusch. Für die praktische Umsetzung kooperiert der Papilio e.V. mit der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, deren Mitgliedsverbände die Träger der beteiligten 20 Kindergärten in der Modellregion sind.

Weitere Details unter www.papilio.de/files/papilio/red/download/nrw-projekt-brennpunktkitas.pdf.

Hintergrund zu Papilio und zur Aufklärungskampagne

Das Programm Papilio
Das Besondere an Papilio ist seine Alltagstauglichkeit: Es lässt sich in jedem Kindergarten durchführen und fügt sich in den täglichen Ablauf ein. Das Programm fördert, wissenschaftlich belegt, die sozial-emotionalen Kompetenzen und reduziert Verhaltensauffälligkeiten. Auffällige Kinder profitieren besonders, aber sie erfahren keine Sonderbehandlung.

Papilio setzt auf drei Ebenen an: bei Kindern, ErzieherInnen und Eltern.

  1. Die ErzieherInnen haben die Schlüsselrolle: Sie werden fortgebildet, damit sie Papilio im Kindergarten einführen und die Kinder mit Hilfe des „entwicklungsfördernden Erziehungsverhaltens“ unterstützen können.
  2. Die Eltern werden über Elternabende und Informationen einbezogen und können Teile von Papilio auch zu Hause umsetzen.
  3. Für Kinder gibt es drei Maßnahmen:
    • Paula und die Kistenkobolde: Die Kistenkobolde Zornibold, Heulibold, Bibberbold und Freudibold sind die Stars von Papilio. Entlang einer faszinierenden Geschichte, die auch von der Augsburger Puppenkiste inszeniert wurde, unterstützen sie die Kinder beim "Gefühle lernen", das heißt: beim Erwerb emotionaler Kompetenzen.
    • Beim Spielzeug-macht-Ferien-Tag spielen die Kinder einmal pro Woche ohne herkömmliches Spielzeug und lernen so, sich kreativ mit sich selbst und anderen zu beschäftigen.
    • Beim Meins-deinsdeins-unser-Spiel steht die gegenseitige Unterstützung beim Einhalten von gemeinsam vereinbarten sozialen Regeln im Vordergrund.

Die Papilio-Aufklärungskampagne
Die aktuelle Veranstaltung ist nicht nur Auftaktveranstaltung für das Modellprojekt, sondern auch Teil der Aufklärungskampagne, mit der der Papilio e.V. und die Robert Bosch Stiftung auf das Anliegen frühzeitige Prävention in Deutschland aufmerksam machen wollen.

Zur Veranstaltung gehören immer drei Aufführungen mit der Augsburger Puppenkiste. Das Thema "Frühzeitige Prävention gegen Sucht und Gewalt" wird am Nachmittag in einem Fachvortrag erläutert, das Programm und die notwendigen Fortbildungen werden vorgestellt.

Die Kooperationspartner variieren in den Bundesländern. In NRW ermöglichen einerseits die Stiftung Wohlfahrtspflege und die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, anderseits die BARMER GEK die Einführung von Papilio.

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